Um eine Gasturbine mit über fünf Meter Höhe und 215 t Gewicht nach München zu bringen musste der Schwergutspezialist tief in die Trickkiste greifen.
Bereits Mitte 2018 wurde der Spedition Kübler der Auftrag für eine Machbarkeitsstudie für den Transport von insgesamt zwei Gasturbinen mit je 215 t und zwei Generatoren mit je 177 t erteilt. Zum Gewicht kam komplizierend hinzu, dass die Turbine über fünf Meter breit und hoch sein sollte. Das alles wäre noch nicht kritisch, doch wenn das Ziel allerdings ein Kraftwerk im Münchner Süden ist, werden viele Experten aus der Branche den Transport als unmöglich einstufen.
Zuletzt im Jahre 2003 wurden zwar ähnliche Turbinen nach München befördert, aber in den vergangenen 17 Jahren haben sich die Bedingungen für Schwertransporte dramatisch verschlechtert (z.B. marodere Brücken) und ein völlig neues Konzept musste erarbeitet werden.
Nach mehrmonatiger Planung und unzähligen Behördenkontakten stand jedoch feste, dass es eine machbare und mögliche Route geben wird. Unmittelbar nach Auftragserteilung für den Transport der Komponenten machte sich Kübler Mitte 2019 an die Verwirklichung der Studie.
Zunächst wurden ca. 50 Brücken, Tiefgaragen, U-Bahnhöfe und sogar unterirdische Ladenpassagen auf deren Tragfähigkeit hin untersucht. Nach Festlegung der Strecke in statischer Hinsicht wurden alle baulichen Maßnahmen organisiert. Vom einfachen Auslegen von Fahrblechen bis hin zum Abschneiden privater Grundstücksmauern aus Beton war die gesamte Palette an Herausforderungen geboten. Zuletzt wurden in Summe fast 4000 qm mobile Fahrplatten verlegt, 3262 t Schotter eingebaut, ca. 750 (!) Stk. Haltverbotsschilder aufgestellt. 21 Lichtsignalanlagen und 37 Laternen mobil gestellt. Für die Verkehrssicherung wurden allein 97 t Sperrmaterial angeliefert und aufgestellt bis die Strecke vorbereitet war. Weiter wurde auf der gesamten Strecke 14 Tage lang der Baumschnitt vorsorglich erweitert, wobei jeder Eingriff mit den Naturschutzbehörden eng abgestimmt und genehmigt wurde.
Obwohl aufgrund der Ladungshöhe die Verladung in einer Hubhebelbrücke optimal erscheint, wurde diese Lösung von Kübler schnell verworfen: Zu viele Ortsdurchfahrten wären für diese Länge und Breite schlichtweg zu schmal gewesen. Deshalb wurden beide Schwergüter zunächst auf 22- und 26-achsigen Plateauanhängern verladen und innerhalb von vier Nächten bis zur Stadtgrenze von München transportiert.
Fünf Schwerlastzugmaschinen sorgten für die notwendige Traktion. Innerhalb eines exakt erstellten Fahrplans wurden viele Randbedingungen gemeistert: Abschaltungen von diversen Stromleitungen, bis zu überregionalen 380 KV-Versorgungssträngen. Abklemmen vieler Telefonleitungen, Vollsperrung und ebenerdiges Queren von zwei Autobahnen und unzählige weitere Randbedingungen.
Die Strecke führte durch enge Dörfer, über kurvenreiche, schmale Landstraßen und wies Steigungen und Gefälle bis zu 12% auf. Fahrern und Begleitpersonal wurde größtes Können und Aufmerksamkeit abverlangt. Zudem musste die Schräglage kontinuierlich über digitale Messgeräte überwacht und ständig hydraulisch ausgeglichen werden.
War diese erste Etappe bereits eine große Herausforderung an Mannschaft, Voraustrupps und Organisatoren, so sollte es für die Stadtdurchfahrt von München noch schwieriger werden:
München empfing die Planer mit Brücken, die nur wenige Zentimeter höher waren als die Ladung. Zudem waren noch viele niedrige Fahrleitungen der Straßenbahn im Weg. Also wurde die Turbine aufgrund der Höhe von über fünf Metern in eine Hubhebel-Kesselbrücke umgeladen. Diese musste mit insgesamt 34 Achsen (2x 17-achs Nachläufer) ausgestattet werden, damit die Achslasten für die zu überfahrenden Bauwerke moderat genug waren. Daraus resultierte eine Gesamtzuglänge von 90 Metern bei 6,40 m Breite. Konsequenz war die großflächige Beräumung der Strecke durch die Stadt München. Viele große Ampelmasten und über 15 m hohe Lampen mussten im Vorfeld ausgebaut und auf mobile Fundamente gestellt werden. Mit mehreren Kranen wurde dann kurz vor dem Transport die jeweilige Kreuzung geräumt.
Doch Hausecken, Fahrleitungsmasten und Bäume sind ja nicht demontierbar. Deshalb waren auf der Strecke noch einige kniffelige Kurven zu meistern. Das für die letzten 19 Kilometer eine ganze Nacht und ein weiterer Tag eingeplant wurden, lässt vermuten, wie anspruchsvoll die Strecke gewesen sein muss.
Mitten in München, am Odeonsplatz, musste der Transport noch das kritischste Bauwerke der ganzen Strecke überfahren: Der in die Jahre gekommen Altstadtringtunnel. Allein für diese Überfahrt wurden nochmals weitere sieben Achslinien per LKW angefahren und mittels zwei Ladekran-LKW unter die Last gesetzt. Nur nach Aufteilung der Last auf weitere sieben Achsen wurde der Überfahrt durch die beteiligten Ingenieurbüros und Prüfstatiker stattgegeben.
Nach einer Reisezeit von insgesamt 10 Tagen kann man ein positives Fazit ziehen: Alles lief nach Plan, es gab keine unvorhergesehenen Probleme und es gab keinen einzigen Schaden zu beklagen.
Wir, die Firma Kübler sagen ein ganz herzliches Dankeschön an die gesamte Mannschaft und alle involvierten Begleiter, Dienstleister drumherum und natürlich an die Behörden und Polizei. Ihr habt einen super Job gemacht und Teamarbeit wurde wirklich gelebt und hat uns alle gestärkt.
Vor allem, weil während des Transportes die Ereignisse um die Corona-Pandemie über uns hereingebrochen sind. Die Probleme mit Hotel- und Restaurantschließungen, Versorgungsengpässen und Ausgangsbeschränkungen wurden immer größer und gipfelten in einer Fahrt durch ein fast menschenleeres München. Wir sind alle um viele Erfahrungen reicher und eines steht nun fest:
Es geht nur miteinander! Danke!